Nachtschreck/ Pavor nocturnus / Nachtangst

Die Eltern des 5-jährigen Jens berichten:

"Gesternabend - etwa eineinhalb Stunden nachdem wir Jens ins Bett gebracht hatten - hörten wir aus dem Kinderzimmer erregtes Schreien - Jens stand in seinem Kinderbett, zitterte, atmete heftig, starrte mit aufgerissenen Augen mit weiten Pupillen an die Wand, stammelte da-da-da - als ob er dort etwas Schreckliches sähe - als ich ihn in den Arm nehmen wollte, hat er sich heftig gewehrt, mich weggestoßen, mich nicht erkannt, war überhaupt nicht ansprechbar - erst nach 10 Minuten hat er sich beruhigt, hat gegähnt und ist dann auf einmal ansprechbar gewesen, war ganz ruhig und zufrieden, wusste nicht was war, war müde und hat sich hingelegt und ist wieder eingeschlafen. Heutemorgen konnte er sich auch an nichts erinnern."

Die Schilderung der Eltern von Jens ist typisch für einen sogenannten

Pavor nocturnus, auch Nachtschreck, nächtliches Angsterschrecken oder Nachtangst genannt (lateinisch pavor = Furcht, Schrecken).

Dieser tritt meist ein bis drei Stunden nach dem Einschlafen auf – aber auch später. Dabei sind die Kinder meist panisch erregt, setzen oder stellen sich auf, schauen mit offenen Augen mit weiten Pupillen ängstlich oder wütend oder verwirrt um sich, auch heftiges Atmen und Schwitzen kommen vor, äußern oft Ängste durch gellendes Schreien oder Wimmern, in Gesten und verwirrten Worten, stellen sich hin oder laufen herum ("Schlafwandeln"), sind nicht ansprechbar oder geben allenfalls verwirrte Antworten. Dieser Zustand dauert etwa 3 bis 15 Minuten, danach kann das Kind meist plötzlich - manchmal auch erst allmählich - sich wieder orientieren, ist wieder entspannt und umgänglich und kann sich an angstvolle Erlebnisse nicht erinnern, schläft auch rasch wieder ein.

Diese nächtlichen Angstanfälle treten meist nur sporadisch - im Abstand von Wochen oder Monaten - in Erscheinung, selten in jeder Nacht oder mehrmals in einer Nacht.

Welche Kinder bekommen diese Angstanfälle?

Der Pavor nocturnus kommt bei etwa 4 % aller Kinder vor. Die Kinder - überwiegend Jungen - sind in der Regel sonst gesund und psychisch unauffällig.

Am häufigsten sind Kleinkinder vom zweiten bis siebten Lebensjahr betroffen, selten schon bei Säuglingen, besonders im vierten und fünften Jahr, auch noch im Schulalter.

In der Familie oder der weiteren Verwandtschaft besteht häufig eine vermehrte Neigung zu solchen Pavor-Anfällen, auch zum Schlafwandeln.

Was können die Angehörigen während eines Pavor-Anfalls tun?

Es ist sinnlos, zu versuchen, das Kind durch Streicheln, Zureden, In-den-Arm-Nehmen, durch lautes Rufen oder gar Bespritzen mit Wasser zur Besinnung zu bringen und von seinen Schrecken zu erlösen. Das kann die panischen Reaktionen sogar noch verstärken. Wichtig ist, in der Nähe zu bleiben und darauf zu achten, dass das Kind sich durch einen Sturz aus dem Bett oder beim Umherlaufen nicht verletzt.

Was ist die Ursache?

Nach Schlaf-Untersuchungen erfolgt der Pavor während eines nur teilweisen, unvollständigen Aufwachens aus dem Tiefschlaf, aus der sogenannten Non-REM-Schlafphase. Er ist als eine Fehlsteuerung des Schlafes anzusehen. Der Pavor ist demnach, wie das verwandte und gelegentlich mit ihm verbundene Schlafwandeln, kaum als Krankheit zu werten, zumal das Kind nicht darunter leidet, auch nicht unter Nachwirkungen. Er ist auch keine Verhaltenstörung im Sinne einer abnormen Erlebnisverarbeitung, oder etwa bedingt durch eine falsche Erziehung, und bedarf somit in der Regel keiner Psychotherapie. Fieberhafte Zustände, auch Schlafmangel und unregelmäßige Bettzeiten, können das Auftreten begünstigen, und aufregende Erlebnisse am Tage vorher.

Kann man vorbeugen?

Aufregende Erlebnisse der Kinder kann und soll man nicht verhindern, allenfalls übermäßige Reize sind zu unterbinden, etwa Horror-Fernsehfilme. Auch kann man versuchen, einen erlebnisreichen Tag bei Pavor-Kindern harmonisch ausklingen zu lassen, etwa durch das Vorlesen einer beruhigenden Geschichte und ein liebevolles Einschlafzeremoniell. Wirksame Beruhigungsmittel – z.B. Benzodiazepine in geringer Dosierung - wird der Kinderarzt in der Regel nur kurzzeitig in außergewöhnlichen Fällen - etwa bei allnächtlichem Pavor - verordnen.

Gibt es ähnliche nächtliche Anfälle bei Kindern anderer Ursache?

Nächtliche gutartig-epileptische psychomotorische Angstzustände - die sehr seltenen "terror-fits" - können ähnlich ablaufen. Diese dauern meistens nur ein bis zwei Minuten und treten oft auch am Tage oder auch mehrfach in einer Nacht auf. In seltenen schwierigen Fällen muss ein Schlaf-EEG oder auch eine Ganznacht-EEG-Ableitung die Diagnose klären.

Angstträume (Alpträume) werden von Kindern meist in der zweiten Nachthälfte, im Leichtschlaf (REM-Schlaf), halb-bewusst erlebt, oft nach angstvollen Erlebnissen am Tag vorher. Sie wachen davon auf und können den Inhalt erzählen und von den Eltern getröstet werden.

Das Angstschreien der Kleinkinder vor dem Einschlafen – in Elternforen auch „Schlafterror“ genannt – ist psychisch bedingt und gehört nicht zu den eigentlichen Schlafstörungen.

Wie sind die Aussichten?

In der Regel hören die Pavor-Anfälle nach einigen Monaten - spätestens Jahren - von selbst auf. Selten gibt es sie noch im Jugend- und Erwachsenenalter. 

 

Nichtepileptische Anfälle bei Kindern, Übersicht

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