Wann wird zweckmäßig der Blutspiegel abgenommen?

Nach der Einnahme wird der Wirkstoff des Medikaments meist rasch aus dem Darm aufgenommen, so dass in den Stunden nach der Einnahme seine Konzentration im Körper einen höchsten Wert erreicht, eine "Spiegelspitze". Nach vollständiger Aufnahme des Medikaments und vor weiterer Zufuhr fällt sein Spiegel durch Abbauvorgänge und Ausscheidung aus dem Körper langsam wieder ab.

Die Zeitdauer in Stunden, in der dabei die Konzentration im Blut auf die Hälfte sinkt, nennt man die "Halbwertszeit". Die Halbwertszeiten schwanken für Sultiam zwischen 3 und 7 Stunden, für Valproat rechnet man mit 12-16, Carbamazepin mit 20-40, Ethosuximid mit 30-40, Phenobarbital mit 50-120 Stunden.

Um bei den Tagesschwankungen des Spiegels Vergleiche mit früher abgenommenen Spiegeln anstellen zu können, ist die Bestimmung des Spiegels immer zur gleichen Tageszeit ratsam. Dazu wählt man zweckmäßig die Zeit der "Talkonzentration" vor der Einnahme morgens. Das gilt besonders für Valproat. Dafür darf die Einnahme am Morgen auch einmal um eine Stunde hinausgeschoben werden, sollte dann nach der Blutabnahme jedoch sofort erfolgen. Wenn nur eine einmalige Einnahme täglich am Abend erfolgt, kann man auch am späten Nachmittag abnehmen.

Erst wenn ein Medikament einige Tage regelmäßig eingenommen wird, stellt sich ein Gleichgewicht zwischen der Zufuhr des Mittels auf der einen und seinem Abbau mit Ausscheidung auf der anderen Seite ein, das sogenannte "Fließgleichgewicht" (engl. "steady state" genannt). Erst nach Erreichen dieses Fließgleichgewichtes ist es in der Regel sinnvoll, einen Blutspiegel zu bestimmen. Dies dauert nach einer Dosisänderung von Valproat und Sultiam etwa 3 Tage, bei Carbamazepin 5 Tage, bei Ethosuximid 1 Woche, bei Phenobarbital 2 bis 3 Wochen. Diese Zeiten entsprechen etwa dem Fünffachen der Halbwertszeiten (s.o.).

Wie erklären sich ungewöhnlich niedrige oder hohe Blutspiegel?

Oft findet man erheblich niedrigere oder höhere Blutspiegel, als nach der verabreichten Dosis zu erwarten wäre.
Die Ursache kann sein, daß der Organismus des Kindes den Wirkstoff besonders schnell oder langsam abbaut.
Es kommt auch vor, daß der Organismus erst nach Wochen oder Monaten der Einnahme einen schnelleren Abbau des Wirkstoffes erlernt hat und erst dann der Blutspiegelabfall erfolgt.

Oft sind Eltern beunruhigt über erhebliche Schwankungen des Blutspiegels trotz unveränderter Einnahme. Die wohl häufigste Ursache ist, daß die Blutabnahme nicht jedes Mal zur gleichen Tageszeit (siehe oben) und in gleichem Abstand von der letzten Einnahme erfolgte. Besonders bei Wirkstoffen mit kurzer Halbwertszeit - z.B. Sultiam oder Valproat - gibt es beträchtliche Spiegelschwankungen im Tagesverlauf.

Auch kann es an der Ungenauigkeit der Bestimmung liegen. Abweichungen von 10 bis 20 Prozent nach oben oder unten können bei Bestimmungen aus derselben Blutprobe vorkommen.

In seltenen Fällen können besonders Retard-Präparate oder Kapseln stark verzögert im Darm aufgelöst oder gar unverdaut mit dem Stuhl wieder ausgeschieden werden, besonders bei Durchfallerkrankungen. Bei Erkrankungen – besonders Leber- und Nierenerkrankungen - können durch Flüssigkeitsverluste und Stoffwechselstörungen aber auch erhebliche Spiegelanstiege erfolgen.

Bei Einnahme von mehreren Medikamenten kann das eine Mittel den Abbau des anderen beschleunigen oder verlangsamen. Eine Zunahme des Körpergewichts kann bei unveränderter Dosierung zu einem Blutspiegelabfall beitragen.

Ein unerwartet niedriger Spiegel ist oft die Folge einer unregelmäßigen Einnahme. Die Eltern sollten von einem Einnahmeversäumnis der vorhergehenden Tage umgehend und nicht erst nach der Blutspiegelabnahme dem Arzt berichten, weil dadurch eine Spiegelbestimmung wertlos werden kann und wiederholt werden muss. Noch schädlicher kann sein, wenn durch das schamhafte Verschweigen eines Versäumnisses eine unnötige Dosiserhöhung wegen eines niedrigen Spiegels erfolgt.
                                                            

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