Der Wirkstoff Valproinsäure (= Dipropylessigsäure) wird überwiegend als Valproat (meist Natriumvalproat) verabreicht. Handelsnamen sind z.B. Convulex, Convulsofin, Depakine, Ergenyl, Leptilan, Orfiril.

Wegen der oft schwierigen Verabreichung bei Säuglingen und Kindern gibt es für diese auch als Tropfen zu verabreichende Valproat-Lösungen zu 300mg/ 1ml, auch Saft oder Sirup zu 300mg/ 5ml (z.B. Depakine®-Sirup, Orfiril-Saftâ) sowie z.B. Orfiril-long®Kapseln mit Kügelchen zu 3mg, Ergenyl® Chronosphere® als Granulat. Wenn zeitweise eine orale Gabe nicht möglich ist, kann Valproinsäure vom Arzt auch intravenös verabreicht werden.

Das Mittel hat sich seit vielen Jahren weltweit bei Millionen von Anfallskranken bewährt. Als Mittel der ersten Wahl wird es bei Epilepsien mit primär generalisierten Anfällen eingesetzt. Gut wirksam ist es auch bei Epilepsien mit fokalen und sekundär generalisierten Anfällen.

Als Erhaltungsdosis gilt bei Kindern 15-30(-60) mg pro kg Körpergewicht pro Tag. Dies entspricht beim Säugling einer Tagesdosis von 150-450 mg, beim Kleinkind von 300-900 mg, beim Schulkind 600-1800 mg. Bei Erwachsenen sind Tagesdosen 1200-1800 mg üblich, ausnahmsweise bis 4000 mg.

Die Blutspiegel werden meist zwischen 50 und 100 mg/l ( 350 – 700 µmol/l) gemessen, ausnahmsweise geht man darüber hinaus bis 150 mg/l. Doch können auch Spiegel unter 50 mg/l ausreichend wirksam sein.
Ein Fließgleichgewicht wird bereits nach 2-4 Tagen erreicht. Eine Besonderheit der Valproinsäure ist, dass neben der Sofortwirkung (entsprechend dem Anstieg des Blutspiegels) eine zusätzliche, endgültige Wirksamkeit sich oft erst nach 6 bis 8 Wochen einstellt.

Bei gleichzeitiger Gabe kann Valproat die Wirkspiegel von Phenobarbital, Carbamazepin-Epoxid (entsteht im Körper aus Carbamazepin), Phenytoin und Lamotrigin erhöhen.

Andererseits kann die gleichzeitige Gabe von enzyminduzierenden Antiepileptika (z.B. Phenobarbital, Primidon, Phenytoin und Carbamazepin) den Valproatspiegel stark absenken und so eine "Ausdosierung" verhindern. Ein Absetzen dieser Mittel - eine Beendigung der Kombination - wiederum kann einen starken Anstieg des Valproatspiegels bewirken.

Die Verträglichkeit ist meistens gut, aber individuell sehr unterschiedlich. Als Nebenwirkungen in der ersten Zeit der Verabreichung sind Leibschmerzen nicht selten, gelegentlich auch mit Übelkeit und Erbrechen, besonders kurz nach der Einnahme. Diese Magen- und Darm-Beschwerden sind meist vorübergehend oder können schwinden nach dem Wechsel auf ein magensaftresistentes oder ein Retard-Präparat .

Eine Appetitsteigerung und eine Gewichtszunahme der Kinder ist häufig. Sie kann ein Problem werden, besonders bei schon übergewichtigen Kindern. Anhaltende Appetitlosigkeit ist dagegen selten.
Häufig bemerken die Eltern einen vermehrten Haarausfall. Auch bei fortgesetzter Einnahme geht dieser fast immer in einigen Monaten vorüber. Ein bleibender Haarausfall ist nicht zu befürchten.
Dosis-abhängig ist vor allem die häufigere Einschränkung der Aufnahme-, Konzentrations- und Merkfähigkeit. Deswegen sollte die Dosierung immer so vorsichtig und gering wie möglich und klinisch notwendig erfolgen und nicht etwa nach starren Blutspiegel-Vorgaben. In Fällen einer zu hohen Dosierung - gelegentlich schon bei mittlerer Dosierung - können Müdigkeit und ein Zittern der Hände beobachtet werden, auch Unruhe und Reizbarkeit. Bei Kombinationstherapien sind vermehrt Nebenwirkungen zu erwarten; z.B. bei Kombination mit Ethosuximid vermehrt Müdigkeit und Lichtscheu, bei Kombination mit Lamotrigin öfter unwillkürliches Zittern (Tremor).

Bei Frauen im gebärfähigen Alter, besonders bei Kinderwunsch, wird die Verordnung von Valproat nach Möglichkeit umgangen wegen der damit im Vergleich mit anderen Antiepileptika größeren Risiken einer embryonalen Schädigung.                                                        

Die sehr seltene Schädigung der Leber oder der Bauchspeicheldrüse kann in den ersten sechs Monaten der Einnahme eine Nebenwirkung sein, die wegen ihrer Gefährlichkeit sehr ernst zu nehmen ist. Angeborene Stoffwechselanomalien können Ursache schwerer frühkindlicher Epilepsien sein. Kinder mit solchen angeborenen Stoffwechselstörungen, auch in der engeren Familie, oder Funktionsstörungen der Leber, der Bauchspeicheldrüse oder der Blutgerinnung, werden daher i.d.R. von der Volproinsäure-Einnahme ausgeschlossen.
Weitere Vorsichtsmaßnahmen sind Blutuntersuchungen vor der Verabreichung und in den ersten 6 Monaten nach Beginn der Einnahme.
Am wichtigsten ist jedoch die genaue Beobachtung des Kindes durch die Angehörigen auf verdächtige Zeichen einer Komplikation. Besonders zu achten und umgehend dem behandelnden Arzt zu melden sind Störungen des Befindens wie Müdigkeit und Apathie (Teilnahmslosigkeit), Appetitstörungen und neu auftretende Abneigung gegen das Medikament oder gewohnte Speisen, Übelkeit und Erbrechen, vermehrte Anfälle, Ödeme (weiche Schwellungen des Unterhautgewebes) oder eine Blutungsneigung. Auch bei Auftreten eines fieberhaften Infekts sollte der Arzt unterrichtet werden.

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