Fieberkrämpfe

Fieberkrämpfe nennt der Arzt auch Infektanfälle, der Volksmund auch „Zahnkrämpfe" oder„Fieberanfälle“.

Welche Kinder haben Fieberkrämpfe? siehe unten

Was löst einen Fieberkrampf aus?

Wie sieht ein Fieberkrampf aus?

Was können Anwesende bei einem Fieberkrampf tun?  

Welche ärztlichen Untersuchungen erfolgen nach einem Fieberkrampf?

Wie groß ist die Gefahr weiterer Fieberkrämpfe und einer Epilepsie?

Kann man Fieberkrämpfen vorbeugen?

 

Welche Kinder haben Fieberkrämpfe?

Fieberkrämpfe erleiden Kinder, die sich normal entwickelt haben, im Alter von 6 Monaten bis 5 Jahren, Knaben etwas häufiger als Mädchen. In dieser Altersspanne treten sie als „Gelegenheitsanfall“ bei etwa 4 Prozent aller Kinder auf. Am häufigsten sind sie im Alter von 12 bis 18 Monaten. Die Bereitschaft zu Fieberkrämpfen schwindet in der Regel mit Ablauf des 5. Lebensjahres. Danach erleiden nur noch 4 Prozent der Kinder Wiederholungsanfälle.

Bei etwa 20 Prozent der Kinder mit Fieberkrämpfen sind in der engeren Familie – Vater, Mutter, Geschwister - bereits Fieberkrämpfe vorgekommen. Eine ererbte Veranlagung zu Fieberkrämpfen ist somit bedeutsam. Das Risiko, sie zu vererben, liegt bei in der Kindheit erlittenen Fieberkrämpfen des Vaters bei etwa 10 %, der Mutter bei etwa 20 %.

Kurze Fieberkrämpfe können dem Kind nicht schaden. Umfangreiche Studien haben keinen Zusammenhang gefunden zwischen erlittenen Fieberkrämpfen und Störungen des Verhaltens oder der intellektuellen und motorischen weiteren Entwicklung der Kinder.

 

Was löst einen Fieberkrampf aus?

Vor allem bei einem raschen Fieberanstieg im Beginn eines Infektes kommt es zum Fieberkrampf durch die besonders in dieser Zeit auf das Gehirn einwirkenden Pyrogene, die gleichzeitig durch Einwirkung auf das Fieberzentrum im Zwischenhirn auch den Fieberanstieg bewirken. Wie bedeutsam das Fieber selbst für die Auslösung eines Anfalls ist, ist noch ungeklärt. Gelegentlich geht der Krampfanfall einem Fieberanstieg auch voraus. Oft werden die Angehörigen von dem Fieberkrampf überrascht, die bis dahin von Infekt und Fieber noch nichts bemerkt haben. Als Infekte kommen besonders die katarrhalischen Virus-Infektionen der oberen Luftwege, sowie Mittelohrentzündungen und Durchfallerkrankungen in Frage, und besonders oft das "Dreitagefieber" der Kleinkinder.

Der Durchbruch der Milchzähne - auch wenn er unregelmäßig oder verzögert erfolgt - ist ohne Einfluss auf das Auftreten von Fieberkrämpfen.

 

Wie sieht ein Fieberkrampf aus?

Bei einem Fieberkrampf kommt es zunächst zu einer plötzlichen Bewusstlosigkeit und einer ("tonischen") Anspannung und Versteifung der gesamten Körpermuskulatur. Die Atmung setzt einen Augenblick aus und besonders die Lippen können blau anlaufen. Die Augen blicken starr, werden oft nach oben verdreht, die Pupillen erweitern sich. Nach dieser tonischen Phase, die meist nur einige Sekunden dauert, folgen bei erschlafftem Körper rhythmische ("klonische") generalisierte Zuckungen von Armen und Beinen in erst rascher, dann zunehmend langsamer Folge, und das Kind fängt wieder an zu atmen. Die Atmung kann zunächst unregelmäßig sein, mit Stöhnen, Schmatzen, Gurgeln, Japsen, auch Speichelfluss, Röcheln und Schaum vor dem Mund. Auch Einnässen kann vorkommen. Dieser Ablauf dauert in der Regel nicht länger als 30 Sekunden bis 3 Minuten. Danach bleibt das Kind meist noch einige Minuten bewusstlos, bevor es erschöpft und müde allmählich aufwacht oder gleich in einen Schlaf fällt.

Außer diesen „generalisierten tonisch-klonischen“ Fieberkrämpfen kommen auch generalisierte nur klonische Anfälle vor (dabei sieht man nur Zuckungen), selten kurze nur atonische (dabei nur allgemeine Erschlaffung) oder nur tonische Anfälle (dabei nur generalisierte Versteifung). Diese dauern oft nur wenige Sekunden.

Die meisten Fieberkrämpfe – vier von 5 - verlaufen so wie oben beschrieben. Man nennt sie auch „einfache Fieberkrämpfe“.

Gelegentlich dauern Fieberkrämpfe länger als 3 Minuten. Sie können sich auch ohne Rückkehr des Bewusstseins mehrfach wiederholen. Besonders diese länger dauernden Anfälle weisen oft Herdsymptome auf, also etwa Zuckungen nur eines Armes oder nur einer Körperseite, oder eine Kopf- oder Blickwendung nach einer Seite. Damit sind sie dann keine „generalisierten“  Anfälle. Die betroffenen Glieder können nach dem Anfall vorübergehend gelähmt sein – meist nur einige Minuten, manchmal Stunden und länger. Über solche „komplizierten Fieberkrämpfe“ Weiteres unten unter “Wie groß ist das Risiko …?“.

 

Was können Anwesende bei einem Fieberkrampf tun? 

Die Anwesenden sollten Ruhe bewahren im Wissen, dass bei einem Fieberkrampf keine größere akute Gefahr besteht. Das Kind weich und so lagern, dass es sich nicht verletzen kann, gegebenfalls eine Brille abnehmen und beengende Kleidung lösen, und es gut beobachten - auch auf die Dauer des Anfalls achten - und ohne weitere Maßnahmen am Kind das Ende des Anfalls abwarten. Unnötig und eher schädlich ist ein Festhalten der Gliedmaßen oder eine Beatmung. Keinesfalls sollten ein Beißkeil oder Finger zwischen die Zähne geschoben werden oder Weckversuche unternommen werden oder schon Fiebermittel gegeben werden. Das erschlaffte, noch bewusstlose Kind in einer stabilen Seitenlage liegen lassen, damit es keinen Schleim einatmet.

Zur Beendigung eines länger dauernden Krampfes wird heute meistens eine Lösung von Midazolam seitlich in den Mund zwischen Zahnfleisch und Wange verabreicht (z.B. Buccolam®,  Applikationsspritzen mit 5/ 7,5/ 10 mg). Es wirkt durch die rasche Aufnahme des Wirkstoffes aus der Mundschleimhaut schon nach wenigen Minuten. 85 Prozent der Fieberkrämpfe lassen sich damit innerhalb 10 Minuten unterbrechen. Das vom Arzt vorsorglich rezeptierte Mittel kann unverzüglich und sollte spätestens nach einer Krampfdauer von 3 Minuten verabreicht werden. Besonders außerhalb des Hauses – z.B. im Kindergarten – bietet sich diese Anwendung zur Gabe in eine Backentasche an. Dosierung und Anwendung nach Anweisung des rezeptierenden Arztes.

Ebenso erfolgreich kann auch ein Diazepam-Mikro-Klistier (z.B. Diazepam Desitin- oder eine Stesolid-rectal-tube zu 5 mg oder 10 mg) in der ärztlich empfohlenen Dosis dem Kind in den After verabreicht werden. Wichtig ist, dass das Klistier beim Herausziehen zusammengedrückt bleibt. Auch dies wirkt durch die rasche Aufnahme des Wirkstoffes schon nach 2 bis 4 Minuten. Zu empfehlen ist, gleichzeitig und nachfolgend noch für etwa eine Minute die Gesäßbacken des Kindes etwas zusammen zu drücken, um ein mögliches Herauslaufen der Lösung zu verhindern. Dosierung – wenn nicht anders verordnet – i.d.R. bei Säuglingen ab 5. Monat 5 mg, bei Kleinkindern ab 15 kg Körpergewicht 10 mg. Ein weiteres Mittel zur rektalen Gabe – Anwendung nur nach Anweisung eines Epileptologen - ist Chloralhydrat.

Das vom Arzt vorsorglich zur Krampfunterbrechung rezeptierte Mittel sollte spätestens nach einer Krampfdauer von 3 Minuten verabreicht werden.

Falls der Anfall sich wiederholt oder das Krampfen länger als 5 Minuten (oder nach Diazepam- oder Midazolam-Gabe noch weitere 5 Minuten) andauert, muss das Kind sofort in die nächste Kinderklinik oder Notfallambulanz gebracht werden.

Ein länger als 5 Minuten krampfendes Kind ist ein Notfall, weil ein lang dauernder Fieberkrampf - besonders ein länger als eine halbe Stunde dauernder Status  -  Hirnschäden verursachen kann. Daher muss man in diesem Fall ein Kind sofort in die nächstgelegene Kinderklinik bringen oder mit dem Notfallwagen bringen lassen. Spätestens dort – wenn nicht schon im Notfallwagen - kann mit der Gabe krampflösender Mittel in eine Vene der Anfall meistens beendet werden.

Die Gabe einer Midazolam-Lösung oder eines Diazepam-Mikroklistiers kann auch bei einem Krampf von nur kurzer Dauer sinnvoll sein, um einem immer möglichen nachfolgenden 2. Krampf vorzubeugen.

Nach dem Anfall wird man ein hohes Fieber, das nach dem Fieberkrampf meist noch ansteigt, mit einem vom Arzt verschriebenen fiebersenkenden Mittel senken. Ob eine Fiebersenkung auch die Anfallsbereitschaft vermindert, ist umstritten. Sie kann aber das Allgemeinbefinden bessern.

Auch nach einem kurzen Fieberkrampf ohne Klinikaufenthalt - besonders einem ersten Fieberkrampf - sollte das Kind von einem Arzt umgehend untersucht werden. Dieser kann unter anderem eine gefährliche Hirnhautentzündung (Meningitis) ausschließen. Ein Krampf bei Fieber, besonders bei Säuglingen, kann ein frühes Zeichen einer Gehirnentzündung und/ oder einer Hirnhautentzündung sein. Daher muss der Kinderarzt oder Hausarzt noch während des Anfalls oder gleich danach telefonisch benachrichtigt werden. Ist er nicht erreichbar, wende man sich an einen Arzt in einer Kinder-Notfallambulanz oder einer Kinderklinik.

 

Welche ärztlichen Untersuchungen erfolgen nach einem Fieberkrampf?

Besonders nach einem ersten Fieberkrampf, der das erste Symptom einer Hirnhautentzündung sein kann, ist in der Regel eine umgehende Untersuchung in einer Kinderklinik zu empfehlen.

Der Arzt wird sich nach der Art und Dauer des Krampfes erkundigen, nach Fieberkrämpfen in der weiteren Familie, nach Vorerkrankungen und der bisherigen Entwicklung des Kindes.

Eine körperliche Untersuchung wird die Ursache des Fiebers klären.

Eine neurologische Untersuchung wird vor allem eine Gehirnentzündung (Encephalitis) und Hirnhautentzündung (Meningitis) ausschließen. Diese lebensgefährlichen Erkrankungen beginnen oft auch mit Fieber und Krampfanfällen und erfordern eine unverzügliche Infusionsbehandlung in einer Kinderklinik. Geprüft wird dabei unter anderem, ob eine Nackensteife ("Meningismus") besteht. Dabei wird bei Anheben des Kopfes aus der Rückenlage dieser ungewöhnlich steif - oft nach rückwärts gebeugt - gehalten und es werden Schmerzen geäußert, besonders dann, wenn gleichzeitig die Beine in den Kniekehlen gehoben und angebeugt werden (ein "Kniekuß" ist dann schmerzhaft oder nicht möglich). Auch eine vermehrte Berührungsempfindlichkeit und Lichtempfindlichkeit und eine ungewöhnliche und zunehmende Bewusstseinstrübung können Hinweise sein. Auf diese Zeichen können auch die Eltern schon achten und gegebenenfalls sofort mit dem Kind eine Kinderklinik aufsuchen, besonders dann, wenn eine ärztliche Untersuchung nicht umgehend möglich ist. Besonders beim Säugling mit einer Meningitis können diese angeführten Zeichen auch fehlen.

Eine EEG-Untersuchung kann nach dem Anfall zur Aufdeckung eines Anfallsherdes oder bei Verdacht auf eine Hirnentzündung sinnvoll sein und nach 2 Wochen zum Ausschluß oder Nachweis einer Hirnschädigung oder einer erheblichen Anfallsbereitschaft. Der Nachweis von epilepsietypischen Potentialen muss jedoch allein noch keine erhebliche Bedeutung haben. Diese finden sich im Alter von vier bis sechs Jahren bei etwa jedem zweiten Fieberkrampf-Kind auch als Hinweis auf eine genetisch erhöhte Fieberkrampfbereitschaft. Solche fokalen oder generalisierten "epilepsietypischen" Befunde im EEG sollten nur von Kinderepileptologen bewertet werden. Routine-EEG-Kontrollen in regelmäßigen Abständen können bei komplizierten Fieberkrämpfen (siehe unten) nützlich sein. Eine EEG-Ableitung ist aber meistens nach einem unkomplizierten, einfachen Fieberkrampf entbehrlich. Es liefert i.d.R. keine Hinweise auf das Wiederholungsrisiko.

Mit einer Lumbalpunktion kann Gehirnwasser (Liquor) aus dem Rückenmarkskanal gewonnen werden. Das ist für das Kind ungefährlich, kann aber eine Hirnhautentzündung sicher ausschließen und wird in der Klinik bei jedem Verdacht darauf vorgenommen.

Eine Magnetresonanztomographie (MRT) des Kopfes ist bei einfachen Fieberkrämpfen nicht erforderlich, kann aber nach komplizierten Fieberkrämpfen (besonders einem Fieberkrampfstatus) oder bei neurologisch auffälligen Kindern noch Aufschlüsse über eine akute oder früher erlittene Hirnschädigung geben.

 

Wie groß ist die Gefahr weiterer Fieberkrämpfe?

Die meisten Kinder mit Fieberkrämpfen erleiden nur einen Fieberkrampf. In etwa einem Drittel der Fälle wiederholen sich Fieberkrämpfe einmal oder mehrmals, gelegentlich auch noch während des gleichen Infekts.

Das Wiederholungsrisiko ist größer, wenn auch von Eltern oder Geschwistern Fieberkrämpfe bekannt sind, wenn der erste Fieberkrampf schon bis zum Alter von eineinhalb Jahren aufgetreten ist, wenn das EEG eine erheblich erhöhte Anfallsbereitschaft aufzeigt, und nach komplizierten Fieberkrämpfen (s.u.).

 

Wie groß ist das Risiko einer späteren Epilepsie?

Die Gefahr ist gering. Nur bei etwa 3-4 Prozent der Kinder mit Fieberkrämpfen entwickelt sich bis zum 7. Lebensjahr eine Epilepsie. Bei einfachen Fieberkrämpfen liegt das Risiko nur bei 1,5 Prozent - nur wenig höher als das allgemeine Risiko von ca. 1%.

Das Risiko einer späteren Epilepsie ist höher bei Kindern mit Hirnschäden, oder wenn in der Familie Epilepsien bekannt sind, oder die Fieberkrämpfe schon im ersten Lebensjahr oder noch nach dem 4. Lebensjahr auftreten. Auch wenn Fieberkrämpfe sich mehr als drei mal oder im Verlauf eines Infektes sich mehrfach wiederholen, länger als 15 Minuten dauern, oder im EEG danach sich über Wochen bleibende Herdbefunde oder erhebliche epilepsietypische Aktivität finden.

Wenn mehrere dieser Risikofaktoren zusammen auftreten, spricht man von "komplizierten Fieberkrämpfen". Für diese liegt das Risiko einer späteren Epilepsie bei etwa 15 %. Besonders in diesen Fällen wird man das Auftreten weiterer Fieberkrämpfe - vor allem länger dauernder Anfälle - möglichst verhindern.

Wenn ein Kind nur bei Fieber einmal oder mehrmals einen Krampfanfall hat, ist es ein  „Gelegenheitsanfall“. Das Kind hat keine Epilepsie, obwohl der Fieberkrampf in der Form eines epileptischen Anfalls auftritt.

 

Kann man Fieberkrämpfen vorbeugen?

Die meistens noch empfohlene sehr frühzeitige Fiebersenkung mit abkühlenden Wickeln und vom Hausarzt verschriebenen Mitteln wird heute zunehmend in Frage gestellt. Es gibt mehrere Untersuchungen, die keinen deutlichen Unterschied des Wiederholungsrisikos erkennen konnten zwischen Gruppen von Kindern, bei denen eine frühzeitige Fiebersenkung vorgenommen oder unterlassen wurde. Es besteht somit auch kein Grund, dass sich Eltern bei wiederholtem Fieberkrampf Vorwürfe machen, ein Fieber nicht frühzeitig bemerkt zu haben.

Nach sich oft wiederholenden, langdauernden, komplizierten Fieberkrämpfen (siehe oben) kann erwogen werden – immer im Einvernehmen mit dem behandelnden Arzt - bei beginnenden fieberhaften Infekten Benzodiazepine vorbeugend kurzzeitig zu geben. Weil Fieberkrämpfe oft bei unvorhergesehenem ersten Fieberanstieg auftreten, kommen diese Maßnahmen oft zu spät.

Eine Langzeitbehandlung mit einem vorbeugenden antiepileptischen Medikament wird nach Fieberkrämpfen nicht vorgenommen.

Ob und wie weitgehend vorbeugende Maßnahmen sinnvoll sind, ist im Einzelfall mit dem Kinderarzt oder Kinderepileptologen zu besprechen.

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