Neugeborenenkrämpfe/ Neugeborenenanfälle

 

Warum bekommen Neugeborene Krämpfe?

Wie sehen Anfälle bei Neugeborenen aus?

Was untersucht der Arzt nach Neugeborenenkrämpfen?

Welche Behandlung erfolgt?                                 

Welche Aussichten bestehen nach Neugeborenenkrämpfen?

Neugeborenenkrämpfe kommen bei etwa 3 von 1000 Neugeborenen vor (Angaben zwischen 1,5 und 5,5 pro Tausend). Sie sind etwa 5 mal häufiger bei Frühgeburten als bei ausgetragenen Kindern.

Warum bekommen Neugeborene Krämpfe?

Die meisten Anfälle in der Neugeborenenzeit – d.h. in den ersten dreißig Lebenstagen - werden durch verletzende Einwirkungen auf das kindliche Gehirn verursacht. Am häufigsten ist es ein Sauerstoffmangel unter der Geburt. Auch eine Hirnquetschung mit Hirnblutung, oder eine Infektion mit Beteiligung des Gehirns, meist im Rahmen einer Allgemeininfektion, kommen in Frage.

Weitere Ursachen sind akute Stoffwechselstörungen bei der Anpassung des kindlichen Organismus an seine Selbstständigkeit: Die Blutzucker-, Kalzium- oder Magnesium-Konzentrationen im Blut des Neugeborenen können vermindert sein. Zu erwähnen sind auch im Mutterleib empfangene Medikamente oder Drogen und deren plötzlicher Entzug.

Mögliche seltene Ursachen sind angeborene Stoffwechselerkrankungen oder Hirnentwicklungsstörungen oder Fehlbildungen. Frühkindliche Epilepsiesyndrome – wie das Ohtahara–Syndrom und die „Frühe myoklonische Enzephalopathie“ können mit Krämpfen schon im Neugeborenenalter beginnen. Diese Syndrome sind aber sehr selten.

Außer den oben angeführten, durch eine Hirnaffektion bedingten symptomatischen Neugeborenenkrämpfen gibt es auch idiopathische (erbliche), dann in der Regel gutartige Neugeborenenanfälle: Die seltenen familiären (ererbten) gutartigen Neugeborenenkrämpfe (BFNIS, BFNS) und die - mit einem Anteil von etwa 15% nicht so seltenen - "5–Tage-Krämpfe“ ("fifth-days-fits", Aussichten siehe unten). 

Der Zeitpunkt des Beginns der Neugeborenenkrämpfe gibt schon Hinweise auf die möglichen Ursachen. Diese sind in den ersten beiden Lebenstagen - noch bis zum 4. Tag - meistens ein Sauerstoffmangel oder eine Hirnverletzung unter der Geburt, daneben - weniger häufig - ein Blutzucker-, Kalzium- oder Magnesium-Mangel. Schon in den ersten Lebenstagen - aber auch später noch - können außerdem Infektionen die Ursache sein. Vom 4.- 6.(selten 7.) Lebenstag, mit Gipfel am 5. , finden sich die "fifth-days-fits"(siehe unten). Besonders auch in diesen Tagen kann sich ein Medikamentenentzug, d.h. der Entzug von Medikamenten, welche die Mutter vor der Geburt eingenommen hat, auswirken. Im späteren Neugeborenenalter auftretende Anfälle können auch durch Hirnfehlbildungen oder Stoffwechselerkrankungen bedingt sein.

Wie sehen Neugeborenenkrämpfe aus?

Die Anfälle sind ungewöhnlich vielgestaltig, weil das Gehirn des Neugeborenen noch sehr unreif ist. Die Verbindungen zwischen den Zellen und die Bahnen zwischen den funktionellen Zentren, besonders der Hirnrinde, und zwischen den Hirnhälften sind noch wenig ausgebildet. Man sieht fast immer mehrere Anfallstypen in wechselnder Ausprägung.

Es finden sich fokale, halbseitige und generalisierte tonische Anfälle, bei denen  Arme und Beine starr gestreckt oder die Arme gebeugt werden in Form von „tonischen Haltungsmustern“. Kloni (rhythmische Zuckungen) und Myoklonien - allein oder in Verbindung mit tonischen Anfällen - treten meist einseitig, oft auch wechselseitig auf. Einzelne Gliedmaßen zeigen - oft wechselseitig und unregelmäßig - einzelne oder kurze klonische Zuckungen, oder starre (tonische) und bizarre Haltungen und Bewegungen. Die Anfälle sind in Ausprägung und Form sehr wechselnd und unregelmäßig (polymorph). Dabei oft sehr kurz (abortiv) oder kaum sichtbar und erkennbar, daher nennt man sie auch subtile Anfälle. Oft sind es wiederkehrende „Automatismen“, wie stereotyp ablaufende mimische Verziehungen des Gesichts, besonders der Mundpartie (wie Schnauzen, Schmatzen, Saugen, Schlucken), oder ein starres (tonisches) Verdrehen oder auch Zuckungen der Augäpfel (Nystagmus), oder die Gliedmaßen zeigen sinnlose – wie rudernde, schwimmende, tretende - Bewegungsmuster. 

Auch eine unregelmäßige Atmung bis zum zeitweisen Atemstillstand mit Blausucht (Cyanose) kann – allein oder zusätzlich - vorkommen.

Zu unterscheiden von Neugeborenenkrämpfen sind die Schauderanfälle, die schreckhaften Reaktionen bei der  Hyperekplexie, und die "gutartigen Schlaf-Myoklonien des Neugeborenen und Säuglings“.

Zum Vergleich dazu: Anfallsartige nichtepileptische Erscheinungen bei Neugeborenen und Säuglingen

Was untersucht der Arzt nach Neugeborenenkrämpfen?

Die Untersuchungen werden die besonderen Umstände bei der Schwangerschaft und Geburt in Betracht ziehen.

Die Anfallsform und die kinderärztliche, einschließend die kinderneurologische Untersuchung können schon deutliche Hinweise auf die Ursache der Anfälle und ggf. einen Ort der Störung im Gehirn geben.

Blutuntersuchungen lassen Infektionen oder Stoffwechselstörungen erkennen. Eine Untersuchung des Hirnwassers (Liquors) kann notwendig sein.

Weil in diesem Alter noch weit offene Lücken (Fontanellen) zwischen den Schädelknochen bestehen, kann eine Ultraschalluntersuchung (Sonographie) über Verletzungen des Gehirns oder Anomalien der Hirnbildung Aufschluss geben. Andere bildgebende Verfahren, vor allem eine MRT, können zusätzlich eingesetzt werden.

Das EEG, meist als Langzeit-Mehrkanal-Video-EEG, ist besonders bei Frühgeborenen schwer- oft auch nicht – abzuleiten. Es kann Herdbefunde zeigen in Form von Verlangsamungen und Abflachungen, auch Hinweise auf Anfallsherde in Form von sharp waves. Doch fehlen auch bei sicheren Krampferscheinungen nicht selten eindeutige abnorme Veränderungen.  

 

Welche Behandlung erfolgt bei Neugeborenenkrämpfen?

Die Behandlung muss stationär in einer Kinderklinik erfolgen. Falls möglich, wird die Ursache der Anfälle beseitigt, also etwa eine verminderte Mineralstoff- oder Zuckerkonzentration im Blut durch eine Infusion ausgeglichen.

Eine Sauerstoffgabe und eine Beatmung können notwendig sein.

Das noch am häufigsten angewandte Mittel der ersten Wahl zur Dämpfung der Anfallsbereitschaft ist Phenobarbital. Auch die Gabe von Levetiracetam ist möglich. Nach Anfallsfreiheit wird eine Medikation zunächst noch vorbeugend fortgesetzt, bei rascher Anfallsfreiheit in der Regel nur über 2 bis 6 Wochen.

 

Welche Aussichten bestehen für den Säugling nach Neugeborenenkrämpfen?

Von den Anfällen selbst sind Hirnschädigungen nicht zu erwarten.

Symptomatische Neugeborenenkrämpfe (bedingt durch eine Hinverletzung oder -fehlbildung) zeigen oft ungünstige Verläufe, besonders nach Auftreten von Atemstillständen mit notwendiger Beatmung, häufigen tonischen Anfällen und bei Frühgeburten. Etwa jedes 4. Kind überlebt nicht, von den Überlebenden behalten etwa 40 % einen Hirnschaden, und bei ca. 20 Prozent entwickelt sich - meist schon im ersten Lebensjahr - eine Epilepsie.

Bei etwa jedem 2. überlebenden Kind mit symptomatischen Neugeborenkrämpfen ist eine weitgehend ungestörte Entwicklung zu erwarten, besonders dann, wenn die Kinder reif geboren wurden und die neurologischen Untersuchungsbefunde und das EEG sich in den ersten Lebensmonaten normalisieren

Gutartige Anfälle

Eine gute Prognose haben die

"Neugeborenenkrämpfe des 5. Lebenstages". Sie treten fast nur zwischen dem 4. und  6. Lebenstag - dann oft länger andauernd und gehäuft - auf, hören aber schon innerhalb weniger Tage auf. Betroffen sind mehr Knaben als Mädchen. Man kann diese Form der Anfälle annehmen, wenn in diesem Zeitraum bei reifgeborenen Kindern weder die Vorgeschichte noch die Untersuchungen einen Anhalt für Hirnschädigungen ergeben, und nur klonische fokale und keine tonischen Anfälle auftreten.

 

Auf die sehr seltenen familiären (autosomal dominant vererbten) gutartigen

Säuglingsanfälle (→ BFNE, → BFNS) weist in der Regel schon die Familienvorgeschichte. Dazu sollten auch die Großeltern befragt werden, da den Eltern oft nichts von Krämpfen bei ihnen gesagt wurde. Sie beginnen meistens am 2. bis 3. Lebenstag und hören schon nach wenigen Tagen, spätestens in den ersten Lebensmonaten wieder auf. Die weitere Entwicklung der Kinder ist dann i. d. R. unauffällig. Nur in etwa 10-15 % der Fälle treten später wieder Anfälle in anderer Form auf.  

Übersicht: Fragen zu Anfällen

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